Erste Projektlaufzeit: Politische Partizipation, Emotion und Affekt im Kontext sozio-politischer Transformationen am Beispiel von „Tahrir“ und „Taksim“
Der Verbund beginnt mit Juli 2019 seine zweite Förderphase durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und initiiert damit eine Neuausrichtung der Verbundsforschung und der einzelnen Teilprojekte.
Das Projekt untersuchte in der ersten Föderphase am Beispiel Ägyptens und der Türkei die Bedeutung emotional-affektiver Dynamiken für politische Partizipations- und Transformationsprozesse in der MENA-Region. Die Proteste auf dem „Tahrir-Platz“ in Kairo (2011), die den langjährigen Präsident Mubarak aus dem Amt trieben, und die Gezi-Proteste auf dem „Taksim“-Platz in Istanbul (2013) sind besonders eindrucksvolle zeitgeschichtliche Fälle von Massenmobilisierung. Ihre affektive Komponente erhielt viel mediale Aufmerksamkeit. Euphorie, Wut, Angst oder Freude gehören zu den oft genannten, aber bisher nicht systematisch erforschten Emotionen, die mit neuen politischen Praxen auf den Plätzen einhergingen. Die Kreativität, der Humor und die kollektive Widerstandsbereitschaft auch im Angesicht massiver Angriffe durch die Sicherheitskräfte beeindruckten Menschen auf der ganzen Welt.
Diese Plätze und die neuen Formen des Miteinanders, die dort ausprobiert wurden, wurden zum Symbol für die Hoffnung auf Wandel selbst unter schwierigsten Bedingungen. Die emotionalen und affektive Dynamiken, wie sie dort geschahen, nennen wir „Platz-Momente“ oder „Midan-Momente“: Situationen, in denen Menschen über Tage an einem spezifischen, begrenzten Ort gemeinsam politisch handeln, und dabei affektive Dynamiken erzeugen, die es erlauben, zumindest im Moment selbst die gesellschaftlichen Schranken zwischen Klassen, Geschlechtern, und ethno-religiösen Gruppen einzureißen. Die Platzmomente konnten in der Türkei und in Ägypten durch Zeit und Raum reisen.
Unsere Forschung zeigt, dass sie auch auf der lokalen Ebene politisches Handeln inspirieren konnten. Allerdings zeigen die Daten auch, dass einem solchen Aufbruch viele Grenzen gesetzt sind. Die Überwindung sozialer Ungleichheit bedarf mehr als eines gemeinsamen Momentes und auch die Etablierung neuer politischer Formen. Gravierender noch sind die Grenzen, die Autoritarismus und Unfreiheit dem politischen Aufbruch in beiden Ländern in den letzten Jahren setzen.