Springe direkt zu Inhalt

Ausführliche Projektbeschreibung

Die RTL Live Übertragung aus Chemnitz am 28.08.2018 wurde durch zwei Passanten gestört. Durch die in Mimik sichtbare Affizierung des bedrängten Journalists zirkulieren dessen Affekte zwischen Dargestelltem und Zuschauenden ähnlich des Reality TVs.

Die RTL Live Übertragung aus Chemnitz am 28.08.2018 wurde durch zwei Passanten gestört. Durch die in Mimik sichtbare Affizierung des bedrängten Journalists zirkulieren dessen Affekte zwischen Dargestelltem und Zuschauenden ähnlich des Reality TVs.
Bildquelle: RTL News, 28.08.2018

Projektlaufzeit: 4 Jahre (Juli 2019-Juni 2023)

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts „Journalismus und seine Ordnung der Emotionen“ steht die Frage, in welcher Weise Journalismus, der normativ dem Ideal neutraler Berichterstattung verpflichtet ist, gleichwohl Emotionen erzeugt und diese im Diskurs sichtbar macht. Unter Bedingungen digitaler Kommunikation erweist sich Journalismus als Institution herausgefordert, da Journalismus nun seine vormals exklusive und weitestgehend unangefochtene Funktion der Synchronisation und Koordination gesellschaftlicher Subsysteme durch Bereitstellung relevanter Fakten gegenüber neuen Akteur:innen (wie YouTuber:innen oder Blogger:innen) verteidigen und sich angesichts veränderter Kommunikationsmodi re-organisieren muss. Ging es früher vor allem darum, der Gesellschaft relevante Informationen zur Selbstverständigung zur Verfügung zu stellen, gewinnen heute affektive Dynamiken in der kommunikativen Interaktion zwischen Usern, parajournalistischen und journalistischen Akteur:innen an Bedeutung.

Ein Tweet des ZDF Heute Journals über die Ausschreitungen in Chemnitz wird durch eine Antwort  eines Users über dessen Affizierung in einen bestimmten Diskurs, an Rhetoriken und Narrative der Rechtspopulist:innen (um-)gedeutet.

Ein Tweet des ZDF Heute Journals über die Ausschreitungen in Chemnitz wird durch eine Antwort eines Users über dessen Affizierung in einen bestimmten Diskurs, an Rhetoriken und Narrative der Rechtspopulist:innen (um-)gedeutet.
Bildquelle: ZDF Heute Journal, Twitter, 01.11.2018

Das Projekt untersucht im Themenfeld Migration und Flucht, wie Journalismus eine Ordnung der Emotionen herstellt und damit Formen der gesellschaftlichen Inklusion und Exklusion generiert. Zur Herstellung dieser Ordnung bedient sich Journalismus eines komplexen Sets affizierender Register, deren Einsatz in audiovisuellen journalistischen und parajournalistischen Medientexten systematisch untersucht werden soll. In der Analyse der Interaktion zwischen Usern und Medientexten auf Social Media-Kanälen wird darüber hinaus die affektive Dynamik öffentlicher Kommunikation in konflikthaft verhandelten Auseinandersetzungen zu Migration und Flucht betrachtet.

Empirisch nähert sich das Projekt der Fragestellung auf zwei Ebenen: auf der Ebene der (para)journalistischen Texte sowie auf der Ebene der User-Interaktion. Mittels einer qualitativen Medienanalyse werden journalistische (Nachrichtensendungen, Magazin-Formate) und nicht-journalistische (Videos von YouTuber:innen) Medienangebote im Themenfeld Flucht und Migration untersucht. Um einen möglichen Wandel der Ordnung der Emotionen durch Journalismus nachzuzeichnen, werden audiovisuelle journalistische Darstellungsweisen zum Thema Migration und Flucht im zeitlichen Längsschnitt seit 1990 untersucht. Darüber hinaus werden mittels quantitativ-deskriptiver und qualitativ-interpretativer Verfahren User-Interaktion auf Social Media-Kanälen zu ausgewählten Diskursfeldern analysiert.

Bestandteil des Projektes ist eine Kooperation mit den Neuen Deutschen Medienmacher:innen sowie der Bundeszentrale für politische Bildung, um ausgewählte Ergebnisse der Forschung in multimedialen Formaten auch einem nicht-wissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen.

Die Betonung affektiver Register in Mimik, Gestik und Tonalität in Formaten wie LeNEWS sind Teil der Veränderung bestehender Kommunikationsmodi.

Die Betonung affektiver Register in Mimik, Gestik und Tonalität in Formaten wie LeNEWS sind Teil der Veränderung bestehender Kommunikationsmodi.
Bildquelle: Youtube, LeFloid, 03.09.2018

 

Bisherige Veröffentlichungen zum Thema:

Lünenborg, M. (2019): Affective Publics: Understanding the Dynamic Formation of Public Articulations Beyond the Public Sphere. In: Public Spheres of Resonance. Constellations of Affect and Language. Fleig, A.; von Scheve, C. (Hg.). Routledge: London. 30-48.

Lünenborg, M. (2019): Affec­tive Pub­lics. In: Affective Societies – Key Concepts. Slaby, J.; von Scheve, C. (Hg.). Routledge: London. 319-329.

Lünenborg, M. (im Erscheinen, 2019): Emoti­onen im und beim Fernsehen. Kommunikati­onswissen­schaftliche und affekttheoretische Perspekti­ven. In: Emoti­onen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Kappelhoff H. et al. (Hg.). Metzler: Stuttgart.

Lünenborg, M.; Maier, T.; Töpper, C. (2018): Affekte als sozial-relationales Phänomen medi­aler Kommunikation – Affekt­theorien für die Me­dienforschung nutzbar ma­chen. In: Studies in Communication and Media. 7(3). 423-457.

Lünenborg, M.; Raetzsch, Ch. (2018): From Public Sphere to Performative Publics: Developing Media Practice as an Analytic Model. In: Media Practices, Social Movements, and Performativity: Transdisciplinary Approaches. Foellmer, S.; Lünenborg, M.; Raetzsch Ch. (Hg.). Routledge: London. 13-35.

Töpper, C.; Lünenborg, M. (2018): Verkör­perte Affekte: Zur Analyse affektiver Dy­namiken von Zugehörigkeit und Exklusion im Reality TV. In: Kör­perbilder – Körperpraktiken. Vi­sualisierung und Vergeschlechtlichung von Kör­pern in Medien­kulturen. Grittmann, E.; Lobinger, K.; Neverla, I.; Pa­ter, M. (Hg.). Herbert von Ha­lem: Köln. 94-111.