Internationale literaturwissenschaftliche Tagung am Sonderforschungsbereich 1171 „Affective Societies“, FU Berlin
Vom biblischen Brudermord Kains an Abel über den Hass der Antigone‐Brüder Eteokles und Polyneikes aufeinander bis hin zur Hass‐Propaganda in der Lyrik der Befreiungskriege und Kleists Hermannsschlacht oder zur Hassrede in Reenactments heutiger Tage hat sich der Hass als Affekt erwiesen, dessen Beziehung zur Literatur in vielerlei Hinsicht als folgenreich angesehen werden kann. Gerade weil er zuvörderst die Vernichtung des Gehassten anstrebt und damit jedes ‚zivilisierte‘ Maß vermissen lässt, scheint er sich zu eignen, um Affekte des Außerordentlichen, den emotionalen Ausnahmezustand und Problemlagen, die nicht mehr im Rahmen des Dialogs aufgelöst werden können, anschaulich zu machen.
Auf der anderen Seite ist argumentiert worden, dass dem Hass bei all seiner Fixierung auf das Vernichtende auch eine sozial „produktive“ Ebene innewohnt: So ist es bei Judith Butler ein wesentlicher Effekt der Hassrede, dass sie das gehasste Subjekt erst konstituiert und diesem so die Möglichkeit eröffnen kann, sich selbst im Widerstand und der Umdeutung zur Geltung zu bringen – die verletzende Anrufung ermöglicht es dem oder der so angesprochenen allererst, selbst die eigene Stimme zu finden. Wenn dem so ist, dann bildet Hass affektive Relationen, deren Verständnis für die Auseinandersetzung mit heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen unabdingbar ist. Seine Untersuchung trägt daher dazu bei, „Affective Societies“ zu analysieren und aus einer affekttheoretischen Perspektive in den sie konstituierenden Prozessen nachzuzeichnen.
Literatur kann den Hass zum Thema machen, sie kann selbst Ausdruck von Hass sein, aber sie kann auch ein Medium bereitstellen, das Hass hinterfragbar, sichtbar und analysierbar werden lässt. Literarische Texte daraufhin zu befragen, wie sie sich dem Hass nähern, wie sie ihm Ausdruck verleihen, wie sie ihn aber auch textuell herstellen und nachvollziehbar werden lassen, ist das Ziel dieser Tagung.
Die Tagung „Hass/Literatur“ findet vom 24. bis 26. Mai 2018 an der Freien Universität Berlin in Raum KL 32/202 (Rost- und Silberlaube) statt. Der Vortrag von Ute Frevert am 25. Mai entfällt.
Detaillierte Informationen finden Sie im Programm.
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei und ohne vorherige Anmeldung möglich.
Anfragen und nähere Informationen über robert.walter@fu-berlin.de.
Zeit & Ort
24.05.2018 - 26.05.2018
Habelschwerdter Allee 45
14195 Berlin
Weitere Informationen
Organisation
Prof. Dr. Jürgen Brokoff, Dr. Robert Walter‐Jochum
Institut für deutsche und niederländische Philologie / SFB Teilprojekt C04: Gefühle religiöser Zugehörigkeit und Rhetoriken der Verletzung in Öffentlichkeit und Kunst