Entstehung und Konzeption der Gefühle in Aufklärung und Empfindsamkeit
Fleig, Anne – 2019
Im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelt sich im deutschsprachigen Raum der Begriff des ›Gefühls‹, der die klassische Affektenlehre abzulösen beginnt und maßgeblich zum Funktions- und Bedeutungswandel der Literatur seit der Aufklärung beiträgt. Die Rede von Empfindungen und Gefühlen berührt zwei unterschiedliche, allerdings dicht miteinander verwobene Dimensionen: Zum einen verweist sie auf eine generelle Aufwertung des Gefühls als Grundlage individuellen Erlebens, sozialer Kommunikation und gesellschaftlichen Zusammenlebens, die neue kulturelle Codes hervorbringt und das Verständnis der Aufklärung als Zeitalter der Rationalisierung, der Disziplinierung und der instrumentellen Vernunft relativiert (vgl. Böhme 1997). Zum anderen führt die verstärkte Reflexion von Empfindungen zu einer spezifischen Konzeption von Gefühl als ästhetischem »Zentralbegriff « der Aufklärung (Scheer 2001, 632), die in wechselseitigem Bezug von Philosophie und Literatur entsteht.