Über den SFB Affective Societies
Der Sonderforschungsbereich 1171 Affective Societies untersucht Affekte und Emotionen als wesentliche Faktoren des Zusammenlebens in Gesellschaften des 21. Jahrhunderts. Das übergreifende Ziel des Verbunds ist es, ein neues Verständnis von Gesellschaften zu etablieren, das der fundamentalen Bedeutung von Affekten und Emotionen in den mobilen, vernetzten und mediatisierten Welten der globalen Gegenwart Rechnung trägt. Damit einhergehende Themen und Fragen werden aktuell in der dritten Förderphase (2023-2027) von Wissenschaftler:innen aus neun Disziplinen der Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften in zwölf Teilprojekten erforscht.
In seiner ersten Förderphase (2015-2019) hat der SFB ein relationales Verständnis von Affekten und Emotionen entwickelt und empirisch in Kernbereichen des gesellschaftlichen Miteinanders infolge von Mobilität, Migration und kultureller Entgrenzung erprobt. Vor dem Hintergrund dieser Prozesse untersuchte der SFB in der zweiten Förderphase (2019-2023) das Wechselspiel zwischen den Beharrungskräften und den Veränderungsdynamiken von Institutionen. Dabei sind in den Feldern Politik, Medien, Kunst, Bildung und Religion oftmals umkämpfte affektive Bezugsformen und Emotionsrepertoires sichtbar geworden.
Aufbauend auf den bisherigen Ansätzen und Ergebnissen erforscht der SFB in seiner dritten Laufzeit die affektiven und emotionalen Dynamiken gegenwärtiger Konflikte um das Zusammenleben: Soziale und politische Transformationen und damit einhergehende Spannungen und Konflikte prägen die Gegenwart und führen zu Verwerfungen und Umbrüchen, die auch vermeintlich stabile und weithin akzeptierte Institutionen, Praktiken und Lebensweisen erschüttern. Nicht nur gehen wir davon aus, dass sich insgesamt die Auseinandersetzungen um Lebensformen, Praktiken, Selbstverständnisse und Institutionen im Lichte der teils globalen Krisen verschärfen, sondern dass Affekte und Emotionen selbst ins Zentrum der Aushandlungen rücken und zur gesellschaftlichen Streitsache werden.
Die Leitfragen der dritten Laufzeit des SFB lauten daher:
―Wie prägen divergierende Affekte und Emotionen das Ringen unterschiedlicher Akteur:innen um die Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens?
―Wo und auf welche Weise werden Affekte und Emotionen selbst zum Gegenstand von Auseinandersetzungen über Entwürfe der Zukunft gegenwärtiger Gesellschaften?
Unser Ziel ist die Erarbeitung eines Verständnisses der affektiven und emotionalen Dynamiken gesellschaftlicher Konflikte, der beteiligten Akteur:innen und der dabei auf dem Spiel stehenden Orientierungen, Lebensentwürfe und Identitäten, insbesondere mit Blick auf jene Gehalte und Impulse, die gesellschaftliche Zukünfte imaginieren und antizipieren. Hierfür organisiert sich der Verbund in seiner dritten Laufzeit in drei neue, inhaltlich eng verzahnte thematische Bereiche:
- Die Forschungsprojekte im Themenbereich Mobilisieren beleuchten, wie durch die Praktiken und Diskurse aktivistischen Engagements Entwürfe und Imaginationen des gesellschaftlichen Zusammenlebens hervortreten. Dies betrifft etwa Prozesse aktivistischer Mobilisierungen, Allianzen und globaler affektiver Vergemeinschaftungen, kann aber auch Abgrenzungen gegenüber beziehungsweise Unterbindungen von etablierten Institutionen bedeuten.
- Der Themenbereich Aushandeln untersucht, wie solche zukunftsbezogenen affektiven Dynamiken und Emotionen in medialen, künstlerischen oder politischen Feldern und Öffentlichkeiten verhandelt werden. Hier geraten Strategien und Legitimationen des Einforderns oder Ablehnens bestimmter Emotionen und affektiver Haltungen sowie damit verbundener Konfliktgeschehen in den Blick.
- Der Themenbereich Abwehren befasst sich dediziert mit gegenläufigen Bewegungen der Abwehr und des Ausbleibens von affektiven und emotionalen Betroffenheiten. Der Fokus liegt etwa auf Dimensionen des „Ungefühlten“ sowie Formen und Strategien der Vermeidung, Modulation oder auch dem Entzug von Affekten.
Die kritische Befragung der im Sonderforschungsbereich betriebenen Affekt- und Emotionsforschung wird durch ein verbundübergreifendes zentrales Reflexionsprojekt weiterentwickelt. Ein weiteres Projekt widmet sich der Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation und macht die Konzepte und Ergebnisse der Verbundforschung über vielfältige Partizipations- und Kommunikationsformate breit zugänglich.
Zentrale Forschungsergebnisse finden Sie in unseren Publikationen, in Mitschnitten unserer Tagungen und Veranstaltungen oder auch in unserem Podcast und Blog. Informationen zu Forschung und Mitarbeitenden können sie auf den Teilprojektseiten einholen.