UP 1: Politische Gemeinwesen und Strategien medialer Repräsentanz (Hauke Lehmann)
Das UP1 richtet in seiner Fragestellung den Fokus auf die vielfältigen Aneignungen und Objektivierungen, denen audiovisuelle Bilder unterzogen werden, um ihr repräsentatives/politisches Potential zum Vorschein zu bringen – sei es in den sich in Zeiten der Digitalisierung verändernden Programmstrukturen des Fernsehens oder im politischen Diskurs. Wie also treten filmische Bilder öffentlich – und das heißt in diesem Fall: als „deutsch-türkisches Kino“ – in Erscheinung, und wie moderiert das Fernsehen dabei das Mit- und Gegeneinander vielfältiger kultureller Gemeinschaften? Welche affektpolitischen Strategien der Inklusion und Exklusion lassen sich beobachten, sowohl angesichts der Verlagerung des Fernsehens ins Internet als auch bezüglich des Verhältnisses zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern?
Diese Fragestellung wird auf drei Ebenen bearbeitet: 1. Filmanalyse: Diese soll herausarbeiten, wie das filmische Bewegungs-Bild (Film- und TV-Produktionen des „deutsch-türkischen“ Korpus seit 2010) Anschlüsse für Medienpraktiken bereitstellt, die dieses Bild auf unterschiedliche Weise lesbar und nutzbar machen. So fungieren bestimmte Metaphern – etwa „Dönermorde“, „Parallelgesellschaft“ oder „Kopftuchmädchen“ – als Folien der Lesbarmachung, welche Goodwin (1994) als „professionelle Weisen des Sehens“ identifiziert: als sprachliche Bilder, die sich an die Metaphern audiovisueller Bilder anschließen und deren diskursive Weiterverarbeitung die Genese und Konturierung voneinander abweichender Weltwahrnehmungen (sowie der ihnen innewohnenden blinden Flecke) vorantreibt. 2. Erforschung der damit zusammenhängendenmedialen Praktiken der Lesbarmachung: Wie verwandelt das Fernsehen die Sensualitäten audiovisueller Kulturen in Repräsentanz? In der Logik von de Certeaus Unterscheidung zwischen Strategien und Taktiken wird hier nach den Strategien gefragt, also nach dem Planen, Einordnen, Definieren, etc. (Themensuche, Drehbuch-Redaktion, Einbindung der Filme in Programm- oder Website-Strukturen). Diese Strategien gilt es im Rahmen von Fokusgruppen mit Praktikern (Redakteure, Produzenten) zu rekonstruieren, welche metaphernanalytisch ausgewertet werden sollen. 3. Theoretische Begriffsarbeit: Das Verhältnis zwischen einer Pluralität kultureller Gemeinschaften und einem politischen Gemeinwesen ist als Verhältnis zwischen audiovisuellen Kulturen und Strategien der Repräsentanz zu konzeptualisieren. Daraus ergibt sich die Aufgabe, einen Begriff filmischer Repräsentation zu erarbeiten, der nicht den üblichen Verkürzungen unterliegt – der also nicht wie das Abbild-Paradigma auf einer Trennung von Form und Inhalt basiert, sondern die affektive Interaktion zwischen Bildperformanz und Publikum zur Grundlage nimmt.