UP 2: Kulturelle Gemeinschaften im (globalen) Transit (Nazlı Kilerci-Stevanović)
Als Fazit der ersten Förderphase formulierten wir die These, dass das Label „deutsch-türkisches Kino“ eine Erweiterung von Emotionsrepertoires der deutschen Medienlandschaft adressiert – verbunden mit expressiven Modi, die auf den kulturellen Raum der Türkei weisen. In der zweiten Phase fragen wir, ausgehend vom oben skizzierten Konzept des transkulturellen Verkehrs, ob sich kulturelle Gemeinschaften beschreiben lassen, die genuin im ‚global traffic‘ verwurzelt sind. Auf Grundlage der Dissertation zum Arabesk nehmen wir dabei an, dass es kulturelle Gemeinschaften gibt, die sich auf mediale Praktiken gründen, die einen non-linearen Austausch von Emotionsrepertoires zwischen Deutschland und der Türkei implizieren. Diese Hypothese stützt sich auf drei Beobachtungen, die empirisch und theoretisch zu erschließen sind:
1. Sogenannte Arthouse-Filme aus der Türkei zirkulieren in einem globalen Festivalnetzwerk, dessen Beteiligte in engem Kontakt zum europäischen Ausland, insbesondere Deutschland stehen. Wie lassen sich die Dynamiken der Festivalkultur als eine audiovisuelle Kultur verstehen? Können wir die Austauschprozesse der Festivalkultur als Form kultureller Gemeinschaftsbildung bestimmen? Zur Beantwortung dieser Fragen wollen wir mit verschiedenen Filmfestivals in der Arbeit mit Fokusgruppen kooperieren. 2. Dem Arthouse-Kino gegenüber steht in der Türkei ein veritables Blockbuster-Kino, bestehend aus Familienkomödien, Romantikkomödien und Familienmelodramen. Dieses Kino erreicht in Deutschland ein türkischsprachiges Publikum und ist dabei eng verwandt mit den „deutsch-türkischen“ Komödienund Melodramen, mit denen wir uns in der ersten Phase beschäftigt haben (dies ermöglicht eMAEX-gestützte vergleichende Analysen auf Grundlage unserer Datenbank). Auf welche Art und Weise begegnen sich Emotionsrepertoires in den Affektpoetiken dieser Filme? Lassen sich in der Analyse der Filme Affektpoetiken identifizieren, die als generische Formen von Geschmacksgemeinschaften fungieren? 3. Das Schauspielpersonal aus „deutsch-türkischen“ Filmen ist auch in Produktionen in der Türkei zu sehen. Wie verhalten sich diese zirkulierenden „Typen“ (im Sinne von Stanley Cavells Genretheorie) zu den affektiven Prozessen transkultureller Vergemeinschaftung? Ausgehend von diesen Fragen wollen wir an Medienproduktionen aus der Türkei medial figurierte Emotionsrepertoires rekonstruieren, die sich nur in Verschränkungen von Medienpraktiken und globalen Netzwerken herstellen und verstehen lassen, jenseits kultureller oder nationaler Zugehörigkeiten. Ziel ist es, das Konzept einer globalen audiovisuellen Kultur zu entwerfen.